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Das Umdenken setzt ein

26/08/2019

Frankfurt am Main, 26. August 2019

Die seit rund zehn Jahren anhaltende Niedrigzinsphase an den Finanzmärkten hat das Geschäft der institutionellen Anleger deutlich verändert. Denn gerade diese Anlegergruppe steht unter einem hohen und permanenten Druck, vorgegebene Renditen zu erwirtschaften und gleichzeitig innovative Anlageoptionen zu eruieren, die auch mit langfristiger Perspektive ein wertstabiles Invest verheißen.

„Low hanging fruits“ wie zum Beispiel die festverzinslichen Wertpapiere der öffentlichen Hand oder von Privatunternehmen, die in früheren Zeiten mit einer mäßig lukrativen, aber verlässlichen Rendite zur Performance beitrugen, sind rar geworden. Der institutionelle Investor befindet sich im Jahre 2019 permanent auf der Suche nach neuen, wenig volatilen Anlagemöglichkeiten, die ihm helfen, die notwendigen Erträge zu erzielen; die aber gleichzeitig auch auf die strategische Ausrichtung des eigenen Portfolios einzahlen. Speziell Versicherungen und Altersversorger, die traditionell einen recht hohen Anteil an Bonds halten, sind immer stärker gezwungen, sich nach Alternativen umsehen.

Die Gretchenfrage in dieser neuen Unübersichtlichkeit: Wem schenkt der institutionelle Anleger sein Vertrauen? Oder zugespitzter: Sind es gerade die nachhaltigen Anlageoptionen, die die institutionellen Investoren zu den richtigen Antworten führen?

Trau, schau, wem!

Bereits im Jahre 2014 ging die Studie „Aktuelle Anlagetrends bei institutionellen Anlegern“ von Feri Euro-Rating dem grundsätzlichen Thema „Vertrauen“ nach. Institutionelle Investoren wurden unmittelbar mit der Frage „Wen kennst du, wem vertraust du?“ konfrontiert.

Das Ergebnis war wenig überraschend. „Personelle und organisatorische Stabilität“ wurde auf einer Skala von null (unwichtig) bis 100 (sehr wichtig) mit 78 Punkten als der Faktor, der am stärksten Vertrauen bildet, gewichtet. Die „Reputation auf Produktebene“ folgte mit 64 Punkten deutlich abgeschlagen. Kurz, das Vertrauen in Personen, in personelle Strukturen wie auch in personelle Kontinuität spielte im Entscheidungsprozess eine deutlich wichtigere Rolle als das Vertrauen in Produkte oder produktspezifisches Renommee.

Die These, dass es bei der institutionellen Geldanlage zuvörderst um „People Business“ geht, wurde noch von einem weiteren Ergebnis der Feri-Studie unterstützt. Danach vertrauten institutionellen Anleger „ihr Geld überwiegend kleineren Häusern an, die weniger große Summen verwalten“, deren Akteure allerdings gut bekannt waren und deren Kundennähe hoch geschätzt wurde.

Vertrauen in Umbruchzeiten

Nun könnte man sich dem simplen Zirkelschluss hingeben, dass professionelle Anleger seit jeher äußerst konservativ denken und handeln und sich ihre Vertrauensstruktur in nur fünf Jahre sicherlich nicht gravierend verändert hat.

Doch die Gegenwart mit ihren drängenden, existenziellen Fragen (Klimawandel, Artensterben) und den durchaus revolutionären Veränderungen an den Finanz- und Warenmärkten durch Digitalisierung, Vernetzung lässt Zweifel aufkommen. Denn auch institutionelle Investoren bevorzugen saubere Luft, klares Trinkwasser. Auch institutionelle Investoren haben Kinder und Enkel, denen sie eine gute Zukunft wünschen. Und von denen sie sich in 30, 40 Jahren nicht nachsagen lassen wollen, dass sie es waren, die die falschen Entwicklungen unterstützt oder gar beschleunigt haben.

Die britische Vertrauensforscherin Rachel Botsman, 41-jährige Dozentin an der Saïd Business School (University of Oxford), widmet sich in ihrem 2017 erschienen Buch „Who Can You Trust? How Technology Brought Us Together and Why It Might Drive Us Apart” dem Themenkomplex ‘Vertrauen’ in einer zunehmend digitalisierten und verstärkt auf Sharing-Konzepte setzenden Wirtschaftswelt. In einem Interview mit der auf Innovationsthemen spezialisierten Website t3n.de definiert sie Vertrauen im ökonomischen Kontext ganz allgemein als „vertrauensvolle Beziehung mit dem Unbekannten“:

„Jedes neue Produkt oder jeder neue Service braucht Vertrauen. Wenn ich mich in ein autonomes Fahrzeug setze, wenn ich meine Kinder mit Robotern alleine lasse, braucht es einen – wie ich es nenne – Vertrauenssprung. Es verlangt von uns, ein Risiko in Bezug auf etwas oder jemanden einzugehen, das oder den wir nicht kennen. Und je größer das Risiko ist, das von uns verlangt wird, desto mehr Vertrauen ist nötig.“

Mit wachsender Digitalisierung und Vernetzung von Gesellschaft und Ökonomie kommt laut Botsman jetzt noch ein Wandel von tradierten Vertrauensstrukturen hinzu:

„Es ist nicht so, dass lokales und institutionelles Vertrauen verschwinden“, so Botsman. „Was wir aber jetzt in einer sehr frühen Phase [der Digitalisierung] erleben, ist, dass Netzwerke, Plattformen und neue Technologien Vertrauen grundlegend verteilen. Sie wollen der klassisch hierarchischen top-down-­Variante, bei der wenige Leute die Steuerung der Gesellschaft übernehmen, das Vertrauen entziehen und sie in die Hand vieler Menschen geben.“

Und was machen die institutionellen Investoren?

Sind diese von Botsman auf der sozioökonomischen Metaebene beobachteten Veränderungen des Phänomens ‚Vertrauen‘ auch im Investment-Bereich, speziell bei den institutionellen Investoren, schon wahrnehmbar?

Wenn ja, dann könnte man erwarten, dass die veränderten Rahmenbedingungen, einhergehend mit einer gewissen subtilen Verunsicherung der Marktteilnehmer, mittlerweile die institutionellen Anleger dazu gebracht haben, bei ihren Investmententscheidungen stärker auf Nachhaltigkeit und weniger auf People Business-Kriterien, typisch für eine hierarchisch geprägte Sichtweise, zu vertrauen.

Doch eine 2018 veröffentlichte Studie der Schroder Investment Management GmbH in Frankfurt am Main, „Schroders Institutional Investor Study“, erhärtet diese These nur bedingt.

Im Rahmen der Studie, für die 650 institutionelle Investoren befragt wurden, gibt auch jetzt noch ein Drittel der Teilnehmer (32 Prozent) an, dass Nachhaltigkeitsüberlegungen wenig bis keinen Einfluss auf ihre Investitionsentscheidungen ausüben.

Überdies beklagen 77 Prozent, dass nachhaltige Investitionen oft nicht die Wertentwicklung gewährleisten, die sie zur Erreichung ihrer Ziele benötigen. Mangelnde Transparenz und die nicht immer einfach zu realisierende Messbarkeit von Risiken seien weitere Schwierigkeiten, die so manche nachhaltige Anlage mit sich bringe.

Lediglich 27 Prozent attestieren dem Nachhaltigkeitsaspekt schon heute „bedeutenden Einfluss“, weitere 41 Prozent immerhin „mäßigen Einfluss“. Es dominieren im Entscheidungsprozess nach wie vor klassische Faktoren wie das personengebundene Kriterium „Erfolgsbilanz des Fondsmanagers“ (62 plus 32 Prozent) oder die „Strategische Vermögensallokation“ (64 plus 29 Prozent).

Und sie bewegt sich doch…

Dennoch deuten sich allmählich Veränderungen an. So zeigen sich 74 Prozent der Befragten überzeugt, dass nachhaltiges Investieren in den nächsten fünf Jahren an Bedeutung zunehmen wird. Überdies geben 47 Prozent an, dass sie bereits in den vergangenen fünf Jahren stärker als in den Jahren zuvor in nachhaltige Anlagemöglichkeiten investiert haben.

Gleichzeitig macht die Studie deutlich, dass institutionelle Investoren, die schon heute den Faktor ‚Nachhaltigkeit‘ anerkennen, meist mit einem längerfristigen Investmenthorizont unterwegs sind und dabei Anlagen mit einer höheren Investitionssicherheit bevorzugen.

Folgerichtig findet man bei diesen Anlegern auch das größere Vertrauen in die Zukunft bzw. in die eigenen Entscheidungen: So sind immerhin 59 Prozent zuversichtlich, dass ihre Erwartungen in eben diese Entscheidungen auch erfüllt werden. Bei Investoren außerhalb der ‚Nachhaltigkeits‘-Gruppe beläuft sich dieser Wert lediglich auf 37 Prozent.

Auch Sebastian Thürmer, geschäftsführender Gesellschafter von Artis Institutional Capital Management GmbH, einem in Frankfurt am Main ansässigen Placement Agent für institutionelle Investoren, spricht aktuell von einem starken Umdenkungsprozess hinsichtlich nachhaltiger Anlagen. Waren vor wenigen Jahren noch Stiftungen oder kirchliche Einrichtungen in der Vorreiterfunktion, sind es heute vermehrt Unternehmen der Assekuranz und Altersversorger.

Thürmer rechnet in den kommenden Jahren weiterhin mit hohen Wachstumsraten in der nachhaltigen Ausrichtung von Kapitalanlagen. Die Asset Allokation habe sich gerade in den vergangenen zwei deutlich in diese Richtung verschoben. Der Grund hierfür sei nicht unbedingt das schwierige Zinsumfeld, wie oftmals behauptet wird. Vielmehr rücken Ideen, die soziale, umweltbezogene, kulturelle oder ethische Ziele mit einer marktgerechten Rendite verbinden, mehr und mehr in den Vordergrund.

– Bernd Engel, Freier Autor ‒

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