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„Infrastrukturanlagen sind bekannterweise das Megathema der zwanziger Jahre in diesem Jahrhundert“

16/11/2023

Frankfurt am Main, 13. November 2023

– Erstellt von Markus Hill im Gespräch mit Sebastian Thürmer, artis Institutional Capital –

Placement Agents und Marktbeobachtung, Infrastruktur, Private Debt – Markus Hill* sprach für IPE D.A.CH mit Sebastian Thürmer, artis ICM, über aktuelle Trends in den Segmenten Energie, Transport- und Soziale Infrastruktur, ESG, den „Faktor Wachstum“ sowie über Private Debt und Spezial-AIFs in diesen Segmenten.

IPE D.A.CH: Als international agierender Placement Agent für institutionelle Anleger beschäftigt sich artis Institutional Capital Management auch mit dem Thema Infrastrukturinvestments. Welche Trends sehen Sie für 2024 und den Folgejahren?
Thürmer: Infrastrukturanlagen sind bekannterweise das Megathema der zwanziger Jahre in diesem Jahrhundert. Der überwiegende Teil institutioneller Investoren konnte in den vergangenen Jahren erste Erfahrungen sammeln. Man darf davon ausgehen, dass der Infrastrukturanteil auf Sicht der nächsten zehn Jahre im Schnitt um 20–30% p.a. wachsen wird. Bislang sind institutionelle Anlegergruppen sehr stark auf Energiethemen fokussiert. Das wird sich aber in den nächsten Jahren etwas ändern, denn Themen wie Verkehrsinfrastruktur oder auch soziale Infrastruktur können auch nachhaltig sein und bieten darüber hinaus ein breiteres Spektrum als auch mehr Risikodiversifikation in der Gesamtallokation.

IPE D.A.CH: Welche Bedeutung hat denn zukünftig der Energiesektor innerhalb der Infrastrukturanlagen?
Thürmer: Der Investitionsbedarf im Energiebereich ist epochal hoch. Das geschätzte Investitionsvolumen in der EU dürfte in den nächsten 10-15 Jahren mehrere Billionen Euro ausmachen. So wird sich bis 2050 allein in Deutschland der heutige Stromverbrauch fast verdreifachen. Hauptgrund hierfür ist einerseits der steigende Bedarf der Wirtschaft, aber auch die geplante Elektrifizierung und Mobilität, beispielsweise Betankung von Elektrofahrzeugen. Hinzu kommt die geplante Dekarbonisierung des Energiesektors, also die Abkehr von Kohle, Öl und Erdgas, um die vereinbarten CO2-Reduktionsziele erreichen zu können. Das bedeutet, dass bestehende Ressourcen wegfallen werden, was den Strommarkt zusätzlich unter Druck setzen wird. Deutschland hat schon jetzt weltweit die höchsten Strompreise. Die Nachfrage bleibt also weiter angespannt, was nicht unbedingt für fallende Preise spricht. Zwischenzeitlich hat man sich auch noch von der Übergangstechnologie „Atomkraft“ verabschiedet, während andere Länder hier expansiv tätig sind. Neben der Stromerzeugung wird auch der Netzausbau in den Fokus der Anleger geraten. Unsere Netze sind veraltet, ihnen fehlt die nötige Flexibilität und schon heute gibt es Kapazitätsengpässe. Da in den künftigen Netzen die Energieproduktion und der Energieverbrauch oft an gleichen Orten stattfinden und somit der Energietransport in beide Richtungen funktionieren muss, bedarf es intelligenterer Netze als bislang. Und diese benötigen eine hochmoderne digitale Steuerung, denn netzimmanente Aufgaben wie Last- und Speichermanagement, Aufrechterhaltung der Netzstabilität sowie Spannungsregelung sind bei einer hochkomplexen dezentralisierten Netzstruktur deutlich schwieriger zu erledigen als in der traditionellen, von deutlich weniger Kraftwerken geprägten Top-down-Struktur. Für die heimische Industrie sind hohe Energiepreise eine existenzielle Belastung. Anleger hingegen können im Energiesegment langfristig weiter mit guten Renditen und attraktiven Rahmenbedingungen rechnen.

IPE D.A.CH: Gibt es im Energiesektor weitere Themen, welche für institutionelle Investoren interessant sind?
Thürmer: Anleger sollten sich im Energiesektor auf Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung konzentrieren. Weitere Bausteine sind Energieeffizienz und Speichertechnologien.

IPE D.A.CH: Verkehrsinfrastruktur, also beispielsweise Mautstraßen, welche ja oft als Anlageziel definiert werden, emittieren indirekt nach Inbetriebnahme CO2-Emissionen. Passt das noch in die Zeit von Klimawandel und Reduzierung von Treibhausgas-Reduzierungen?
Thürmer: Verkehrsinfrastruktur bedeutet mehr als nur Mautstraßen. Zu diesem Segment gehört beispielsweise auch der Schienenverkehr, also Lokomotiven, Personen- und Güterwaggons. Der Schienengüterverkehr mittels Elektrobetrieb verursacht im Vergleich zum Güterverkehr per LKW auf der Straße fast 90% weniger Treibhausgasemissionen. Selbst bei Einsatz mittels Dieselloks werden im Vergleich zur Straße immer noch 73% weniger Treibhausgasemissionen freigesetzt. Die Bahn ist aufgrund ihres großen Beitrags zum Klimaschutz der umweltfreundlichste Vertreter unter den bedeutenden Verkehrsträgern. Vor zehn Jahren war Verkehrsinfrastruktur mit Investments wie Autobahnen, Mautstraßen oder Tunnel das wichtigste Segment in der Assetklasse Infrastruktur. In den vergangenen fünf Jahren stand dieser Sektor etwas im Schatten der Energie- und Klimaeuphorie. Mittlerweile erkennen Institutionelle wieder die Bedeutung dieses Segments. Sie haben festgestellt, dass auch der Verkehrssektor nachhaltig und klimafreundlich sein kann.

IPE D.A.CH: Gibt es hier Anbieter, welche dieses Segment abdecken?
Thürmer: Ja, die gibt es tatsächlich, also Manager mit einem langen und erfolgreichen Track Record, sowohl einige wenige Anbieter in Deutschland als auch diverse Initiatoren im Ausland. Die Situation ist grundsätzlich vergleichbar mit dem Energiethema vor etwa drei bis fünf Jahren. Damals waren es anfangs angelsächsische Initiatoren, zwischenzeitlich haben deutsche Anbieter aber aufgeholt. Kapitalverwaltungs- und Asset Management-Gesellschaften sind findig, besonders dann, wenn neue Produkte, Wachstum und Renditeaussichten generiert werden können.

IPE D.A.CH: Sie hatten eingangs auch das Segment Soziale Infrastruktur angesprochen. Pflegen solche Spezial-AIFs nicht eher ein Nischendasein?
Thürmer: Soziale Infrastrukturinvestments sind nicht so öffentlichkeitswirksam wie Energie- oder Verkehrsinfrastrukturthemen. Solche Sondervermögen zielen auf den ungedeckten Bedarf an Schulen, Universitäten, bezahlbaren Wohnraum sowie Gesundheitseinrichtungen ab. Die Nachfrage wächst dramatisch. Bund, Länder und Gemeinden sind haushaltstechnisch oft am Limit, um Neubauten und Modernisierungen umzusetzen. Die Investitionslücke wird dann von institutionellen Investoren ausgefüllt, welche immer mehr solche Kapitalanlagen, denen der kriselnden Gewerbeimmobilienanlagen, vorziehen. Soziale Infrastrukturthemen werden meist über Immobilienfonds initiiert, welche aufsichtsrechtlich als „Qualifizierte Infrastruktur“ eingestuft werden.

IPE D.A.CH: Welche Infrastruktursektoren haben auf lange Sicht das Potenzial besonders bei institutionellen Investoren zu punkten?
Thürmer: Energie und Verkehr werden ihre Vormachtstellung weiter ausbauen und Neugelder anlocken. Ähnliches wird in den kommenden Jahren beim Thema Digitalisierung geschehen. Bei Sozialer Infrastruktur sehen wir eher Zuwächse durch Umschichtungen im Immobilienbereich, wahrscheinlich zu Lasten der Gewerbeimmobilienquote, welche wohl hauptsächlich die Nutzungsarten Handel und Hotel betreffen werden. In den 2030er Jahren wird Infrastruktur quotentechnisch mit Immobilien gleichziehen.

IPE D.A.CH: Durch das aktuelle Zinsumfeld gehen einige Marktteilnehmer davon aus, dass zukünftig vermehrt in Value-added-Anlagen investiert wird und der Anteil an Core-Infrastruktur zurückgehen kann. Teilen Sie diese Auffassung?
Thürmer: Institutionelle Investoren investieren sowohl in Core-, Core Plus, Opportunistic- als auch in Value-added-Anlagen. Die Diskussion wird in den Medien emotionaler geführt als bei den Kapitalanlageverantwortlichen. Entscheidend sind die vorhandenen Risikobudgets der institutionellen Anleger als auch die Risiko- und Renditecharakteristiken der Zielprojekte oder Fondsanlagen. Grundsätzlich nutzen professionelle Anleger alle Risiko- und Renditeparameter allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung, wobei die Core-Anlagen meist den Löwenanteil ausmachen. Bei Core-Infrastructure geht es in erster Linie darum, über einen Zeitraum von 10-20 Jahren stabile Erträge zu generieren. Typische Core-Anlagen sind Erneuerbare Energien, Speicheranlagen, Wärmegewinnung aus Abluft von Rechenzentren, Gesundheitseinrichtungen oder bezahlbarer Wohnraum. Bei Value-added-Anlagen setzen Investoren eher auf Wertzuwachs, welcher durch den späteren Abverkauf generiert werden kann. Solche Investments sind eher mit klassischen Unternehmensbeteiligungen vergleichbar und haben eine kürzere Haltedauer als Core-Investments. Ich gehe nicht davon aus, dass sich mittelfristig an der bestehenden Aufteilung etwas ändern wird.

IPE D.A.CH: Über welche Infrastrukturanlagen sprechen Sie eigentlich mit Ihren Mandanten?
Thürmer: Als Consultant und Placement Agent decken wir sämtliche Bereiche, also Energie-, Verkehr- sowie soziale Infrastruktur, ab. Schließlich wollen wir für unsere Kunden einen Mehrwert generieren. Entsprechend beobachten wir auch sämtliche Marktaktivitäten in Deutschland und Europa.

IPE D.A.CH: Sind Sie aktuell ausschließlich im Bereich Infrastruktur unterwegs?
Thürmer: Neben Infrastruktur sind wir auch bei Private Debt recht aktiv. Diese Assetklasse hatte es in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der massiven Zinsanhebungen als auch mit Problemen einzelner Managementgesellschaften nicht leicht. Wir rechnen in der zweiten Jahreshälfte 2024 wieder mit rückläufigen Zinsen, so dass wieder ein positives Marktmomentum entstehen kann. Gewinner werden Debt-Manager sein, welche auch in Krisenzeiten keine Abschreibungen ausweisen sowie Ausschüttungen fortführen konnten. Im Immobiliensegment sind institutionelle Investoren für Deutschland und Europa recht zurückhaltend und sind mehr mit dem Abverkauf oder der energetischen Sanierung einzelner Objekte beschäftigt. Hier fokussieren wir uns auf Fondsinvestments in nordamerikanischen Wohnimmobilien. Die USA und Kanada glänzen im Gegensatz zu Europa mit positiv demographischen Aussichten, einer proaktiven Industriepolitik, deutlich niedrigeren Energiepreisen und langfristig guten Konjunkturaussichten. In Nordamerika besteht in vielen Regionen, wie in Deutschland und Europa auch, ein extremer Wohnungsmangel. Europäischen Institutionellen bieten sich hier als Beimischung attraktive Renditechancen.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.

*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de

Sebastian Thürmer ist geschäftsführender Gesellschafter der artis Institutional Capital Management GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, einem unabhängigen Consultant und Placement Agent für institutionelle Investoren in der DACH-Region.

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