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Was macht eigentlich ein Placement Agent?

30/03/2020

Frankfurt am Main, 30. März 2020

In der Investment Banking-Sprache zählt seit vielen Jahren der Anglizismus „Placement Agent“ zu den gängigen termini technici. Allerdings wird er je nach Land und Sprache mit unterschiedlicher Häufigkeit und Akzeptanz genutzt.
Im angelsächsischen Raum unumstritten kommt die Bezeichnung hierzulande noch immer sehr zögerlich über die fachsprachlichen Lippen, da das Tätigkeitsfeld von vielen Marktteilnehmern nur diffus wahrgenommen oder auf vertriebliche Tätigkeiten reduziert wird. Was also macht ein Placement Agent? Wie sehen seine Zielgruppen, seine Aktivitäten und Leistungen aus? Welchen Nutzen darf man von ihm erwarten?

Mittler, Marketeer, Moderator

Will man es zunächst recht allgemeingültig halten, so kann man den Placement Agent als Intermediär zwischen Kapitalsuchenden und potenziellen Kapitalgebern beschreiben, dessen vornehmstes Ziel es ist, die Richtigen aus beiden Lagern zusammen zu bringen.

Als Placement Agent agieren

• selbständige Einzelkämpfer mit gewachsenen Netzwerken,
• Mehrpersonen-Gesellschaften oder auch
• spezialisierte inhouse-Abteilungen und Tochtergesellschaften großer Investment-Banken (z.B. Credit Suisse, Lazard, UBS, Citigroup, Warburg).

Des Weiteren dürfen in diesem Zusammenhang auch
• die feinen Investmentbank-Boutiquen wie z.B. Campbell Lutyens, Eaton Partners, Probitas Partners
genannt werden, deren Aktivitäten sich ebenfalls mit denen der Placement Agents in einigen Punkten überschneiden.

Dank ihrer Unabhängigkeit und Flexibilität spielen besonders die selbständigen Placement Agents eine wichtige Rolle am Kapitalmarkt. Es handelt sich bei ihnen oft um erfahrene ehemalige Finanzvertriebs- und Fondsmanager, die sich über die Jahre engmaschige Netzwerke aufgebaut haben und genau wissen, wohin die Investorennachfrage tendiert bzw. was die Manager für Ziele verfolgen. Ihre Kontakte und ihr spezifisches Know-how in der Investorenansprache werden z.B. von Produktanbietern dringend benötigt, um Kapital in der gewünschten Größenordnung zu akquirieren und/oder den Investorenkreis weiter zu diversifizieren.

Breites Aufgabenspektrum auf beiden Seiten des Kapitalmarktes mit Fokus auf Alternative Investments

Geht es um Kapitalbeschaffung, so werden Placement Agents vorwiegend von Asset Managern aus den Bereichen Alternative Investments und Immobilien und zunehmend auch von start-up-Unternehmen kontaktiert und beauftragt. Manager wie Gründer wissen um Reputation, Standing und die besonderen Türöffner-Qualitäten der Placement Agents. Es sind Leistungen, die auf Vertrauen basieren, und von den Kapitalnachfragern kurzfristig nicht selber erbracht werden können.

Überdies weiß die Kapitalnachfrage, dass es sich bei institutionellen Investoren, dazu zählen u.a. Unternehmen der Assekuranz, berufsständische, kommunale und kirchliche Versorgungswerke, Pensionskassen, Beteiligungsgesellschaften, Dachfonds, Staatsfonds, Stiftungen und kirchliche Einrichtungen oder Vermögensverwaltungen wohlhabender Familien (Family Offices), um ein äußerst anspruchsvolles, hochqualifiziertes und manchmal auch öffentlichkeitsscheues Klientel handelt, das keine Anlagemöglichkeiten von der Stange wünscht, sondern nach dem individuellen Zuschnitt fragt.

Die Placement Agents kennen die Befindlichkeiten und Sensibilitäten der Institutionellen sehr genau, da sie auch für diese Seite des Kapitalmarkts öfter aktiv werden. Denn gerade bei Alternativen Investments, die zur Portfolio-Diversifikation respektive Risikostreuung benötigt werden, bevorzugen institutionelle Anleger die qualifizierte Beratung und Begleitung der Placement Agents, damit die eigenen Wünsche und Vorstellungen auch auf diesem schwierigen Terrain frühzeitig in die konzeptionelle Planung einfließen können.

Sebastian Thürmer, Geschäftsführer des Placement Agents artis Institutional Capital Management GmbH in Frankfurt am Main, nennt beispielhaft die wachsende Bedeutung der Environmental-, Social-, Governance-Standards: „ESG-Kriterien werden heute schon mehrheitlich von Institutionellen in ihrer Anlageplanung berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass diese Quote weiter zunimmt.“ Des Weiteren generiere das Spannungsfeld Immobilien versus Alternative Investments häufig konzeptionellen Beratungsbedarf, denn „aktuell wird die Immobilienquote bei Institutionellen immer noch angehoben. Mittelfristig ist aber davon auszugehen, dass das Kaufinteresse nachlässt, und das Wachstum zu Gunsten von alternativen Anlageklassen ausgebaut wird.“

Zu den interessanten Alternativen Investments, um sie kreisen zuvörderst die Leistungen der Placement Agents, zählen z.B. Private Equity, Private Debt, Infrastruktur, EE (Erneuerbare Energien), Agroforestry, Rohstoffe, Edelmetalle und Crypto. Institutionelle Anleger können aktuell auf solche Investments kaum verzichten, denn sie verspüren Handlungsdruck aufgrund der lang anhaltenden Niedrigzinsphase und der sie begleitenden Geldschwemme. Alternative Anlagemöglichkeiten bieten vor diesem Hintergrund gute Gelegenheiten, um sich gegen Inflationsgefahren abzusichern.

Die Banken sind in diesem Investitionsbereich nur selten ein angemessener Partner, wie Thürmer weiß: „Ausrichtung, Produktfindung und Platzierung von Alternativen Investments sind für viele Banken noch Neuland.“ Die Ursachen seien in der traditionellen Rolle der Banken zu sehen: „Banken sind meist immer noch auf liquide Anlagen und nicht auf AI-Produkte fokussiert.“
Allerdings werde da sicherlich in naher Zukunft ein Aufholprozess einsetzen. Thürmer: „Schon in den nächsten Jahren werden Alternative Investments eine sehr bedeutende Funktion in der Allokation einnehmen. Besonders das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ wird dabei eine wichtige und treibende Rolle spielen.“

Konkrete Hilfestellungen in allen Phasen

Welche Leistungen bieten Placement Agents an? Mit was helfen sie konkret im Alltag?

Geht es um die Kernzielgruppe Asset Manager, so ist hier an erster Stelle natürlich das Netzwerk des Placement Agents zu nennen, das es ihm gestattet, unverbindlich Kontakte zu aktivieren, echtes Nachfragepotenzial zu eruieren und dann auch Türen für Sondierungen und weiterführende Gespräche zu öffnen. Überdies stellen die Agents in der frühen Pre-Sales-Phase frische Markinformationen (market sounding) und regulatorisches Know-how zur Verfügung. Sie dienen in wichtigen neuralgischen Fragen als Sparringspartner, unterstützen bei der Entwicklung einer schlüssigen Targeting-Strategie, optimieren das Marketing-Instrumentarium, entwerfen einen Ablaufplan inklusive Roadshows und Wunschterminierung bei institutionellen Investoren.

Reicht bei der Sondierung potenzieller Nachfrager der direkte Kontakt zu einer Person oder einer Gesellschaft nicht aus, da gewisse Konstellationen auch das Vertrauen anderer involvierter Personen(gruppen) erfordern, die sonst eher im Hintergrund agieren, so ist der Placement Agent gleichzeitig als behutsamer Kommunikator gefragt. Speziell bei Family Offices und Stiftungen handelt es sich häufig um sensible Player, die von Placement Agents nur mit Geduld, Sorgfalt und dem richtigen Maß an Empathie erschlossen werden können.

Kurz, die Vertriebsbasis des Kapitalnachfragers wird quantitativ wie qualitativ auf- und ausgebaut. Potenzielle Kapitalgeber mit passenden Anlagepräferenzen können gezielt angesprochen, beworben und bei optimalem Verlauf akquiriert werden.

Auf Seiten der Kapitalanbieter und hier speziell der Institutionellen kann der Placement Agent ein grundsätzlich recht ähnliches Aufgabenspektrum (z.B. Vermittlung von Marktinformationen, Eruierung von Anlageopportunitäten, Mitentwicklung von Konzepten, Anlagestrategien, Timings) anbieten und erfüllen. Und auch hier müssen die Agents nicht selten legislative Einschränkungen kennen, wie z.B. Anlagerichtlinien oder Vorgaben, die bestimmten institutionellen Anlegern den Spielraum bei Sachwert-Investments beschneiden.

Kurz, der erfahrene Placement Agent weiß dank seines permanenten Markt-Scoutings genau, was die richtige Stoßrichtung ist, um welche Größenordnung es gehen darf, und welche Aufwände maximal für den Investor anfallen sollten.

Conclusio: Ein guter Agent produziert keine Verlierer

Ein qualifizierter Placement Agent, der den relevanten Markt, seine aktuellen Bedingungen, ihre Teilnehmer, die (alternativen) Anlageoptionen und den rechtlichen Rahmen gut kennt, ist ein unschätzbar wertvoller Begleiter für Institutionelle wie Asset Manager bei ihrer Suche nach der richtigen Anlageform bzw. dem langfristigen, verlässlichen Anleger. Gerade auf einem nach wie vor schwierigen Feld wie dem der Alternativen Investments.

Die Erwartungen und Bedürfnisse sind auf beiden Seiten meist sehr komplex und anspruchsvoll. Gelingt es dem Placement Agent, hier in erster Linie als umsichtiger Relationship-Manager, wertvoller Berater, kreativer Lösungsfinder und weniger als profaner Produktplatzierer wahrgenommen zu werden, dann mündet seine Arbeit auch in eine komfortable Win-Win-Win-Situation, die alle zufrieden zurücklässt und die Türen für weitere Geschäfte offenhält.

– Bernd Engel, Freier Autor ‒

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