News

News from and about artis.

Ärztehäuser – mehr als ein Modeinvestment

20/05/2020

Frankfurt am Main, 19. Mai 2020

Die Auswirkungen der Pandemie auf Gesellschaft und Wirtschaft sorgen auch für eine Umorientierung der Investoren. Einige Nischenprodukte rücken dabei in den Fokus, so etwa Ärztehäuser, die als Investmentobjekt ganz eigene Eigenschaften aufweisen.

Das Coronavirus hat den Blick auf die Welt in diesem Jahr verändert. Dies gilt auch für institutionelle Anleger, die miterleben müssen, wie sich die Parameter für bestimmte Anlageklassen deutlich und auf lange Sicht verändern. Ob die Coronakrise eine vollständige Neubewertung des eigenen Portfolios erfordert, für diese Frage ist es noch zu früh. Denn das Ende der Pandemie – hier ist man gut beraten, die nationale Brille abzusetzen – lässt sich im Frühjahr 2020 noch nicht seriös voraussagen.

Ein kritischer Blick auf den Teilbereich Immobilien-Investments ist aber schon heute erlaubt. Folgt man hier der klassischen Differenzierung nach Nutzungsarten, so gehört nicht viel Fantasie dazu, um Hotel- und mit Abstrichen auch Einzelhandels-Immobilien als Verlierer der Coronakrise zu vermuten.

Dieses wird auch von den Ergebnissen einer Umfrage im Netzwerk des Immobilienfonds-Forums untermauert. An der Umfrage nahmen im Zeitraum März/April 2020 über 170 institutionelle Immobilienanleger, Fondsmanager und Dienstleister aus der Branche teil. Generell ist die Stimmung im institutionellen Lager keineswegs am Boden. Immerhin 41 Prozent blicken optimistisch nach vorn, wollen in der veränderten Lage auf jeden Fall aktiv werden und sehen kurzfristig auch sehr gute Chancen für gezielte Investitionen.

Institutionelle setzen auf Logistik, Wohnen und…

Auf die Teilfrage, welche Nutzungsarten von der Coronakrise wohl profitieren werden, landen die Immobilien-Segmente „Hotels“, „Shopping-Center“ und „Einzelhandel in 1a-Lagen“ tatsächlich am Tabellenende des Antworte-Rankings, denn die Branchen Tourismus und stationärer Einzelhandel leiden schon seit Monaten unter den Corona-Lockdowns.

Mit etwa 37 Prozent werden Logistik- und Lagerimmobilien am häufigsten favorisiert. Vermutlich rechnen hier einige Investoren mit einer merklichen Abkehr von der „just in time“-Philosophie, die in den letzten Jahrzehnten den Transportweg selbst als kostengünstigste Lagermöglichkeit betrachtet hat. Doch dieses Jahr mussten einige Branchen erfahren, wie fragil diese Strategie für die eigene Wertschöpfungskette sein kann.

Dahinter folgen mit 26 Prozent die unverwüstlichen Wohnimmobilien, die nach wie vor in vielen Metropolregionen einen Nachholbedarf zu befriedigen haben. Und an dritter Stelle erscheint eine Nutzungsart mit 16 Prozent, die oft gar nicht in Erwägung gezogen oder zumindest nicht so weit vorne platziert wird: die Ärztehäuser.

Ärztehäuser spiegeln gesellschaftlichen Wandel wider

Die Nutzungsart „Ärztehaus“ ist vielleicht die bemerkenswerteste Antwort unter den bevorzugten Immobilienarten. Ist das jetzt nur ein Reflex à la „Gesundheit wird in Coronazeiten ein wichtiges Thema, wir sollten in Ärztehäuser investieren“? Das wäre sicherlich zu kurz gesprungen.

Was allerdings stimmt: Die Coronakrise hat den Scheinwerfer stark auf die Ärzteschaft und ihre sich seit zwei Jahrzehnten deutlich verändernde berufliche Situation gerichtet. Getrieben von den gewachsenen Ansprüchen der Patienten, die Teilhabe am medizinischen Fortschritt einfordern, werden Investitionen notwendig, die ein einzelner niedergelassener Arzt kaum noch alleine stemmen kann. Gleichzeitig wünschen die Patienten auch bei interdisziplinärer Behandlung kurze Wege und trotzdem einen vertrauensvollen Ansprechpartner, der sie durchgängig im klassischen Patientenprozess betreut und kommunikativ begleitet.

Neben diesem gewachsenen qualitativen Anspruch nehmen in einer alternden Gesellschaft auch die Arztbesuche zu. Dieses wird zum Teil sicherlich durch eine erhöhte Anzahl an Ärzten aufgefangen (2011: 342.000 und 2018: 392.000 praktizierende Ärzte). Doch in einer alternden Gesellschaft nimmt auch das Durchschnittsalter der Ärzte zu (2011: 52,7 und 2018: 54,2 Jahre).

Zudem wird die Ärzteschaft weiblicher. 2004 waren 38,7 Prozent und 2014 dann 44 Prozent aller Ärzte weiblich. 2018 sind 63 Prozent aller Medizinstudenten weiblich. Und auch die Vergütung der Ärzteschaft steigt weiter. Lag die Gesamtvergütung der Mediziner 2009 bei 30,8 Milliarden Euro, so sind es 2016 bereits 37,1 Milliarden Euro gewesen. Der Anstieg ist auch dann noch da, wenn die erhöhte Anzahl an Ärzten eingerechnet wird.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch bei Ärzten im Fokus

Älter, weiblicher, wohlhabender. Da ergibt sich ganz automatisch der durchaus berechtigte Wunsch nach einer besser austarierten Work-Life-Balance. Zumal die in den letzten 20 Jahren gewachsene Asymmetrie zwischen ärztlicher Kernaufgabe und Verwaltungsarbeit vielen Ärzten sauer aufstößt. Den sympathischen Landarzt, der jeden Tag rund um die Uhr für seine Patienten da ist, und dessen administrative Aufgaben die nicht minder sympathische Ehefrau ganz lässig nebenher erledigt, gibt es nur noch in TV-Serien einschlägig bekannter Ü-60-Sender.

Bei den Nicht-TV-Ärzten spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mittlerweile eine zentrale Rolle. Dieses Motiv bringt auch zunehmend Teilzeit-Arbeitsmodelle hervor, die besonders von Ärztinnen nachgefragt werden. Doch die Männer folgen. Auch hier gibt es mittlerweile knapp 17 Prozent, die keine 40-Stunden-Woche für ihr Seelenheil brauchen, sondern mit weniger Stunden gut auskommen.

Zentrum medizinischer Dienstleistungen

All diese Trends sind ein guter Nährboden für Konzentrationsprozesse. Das ist grundsätzlich nicht neu, aber es wird immer evidenter. Und es verlangt nach Lösungen, die die beiden Hauptgruppen, Patienten und Ärzte, zufriedenstellen. Hier treten die Ärztehäuser auf den Plan.

Ärztehäuser sind ganz allgemein Gebäude, die Ärzte, medizinische und medizinnahe Dienstleister unter ein Dach bringen. Eine einheitliche Definition gibt es nicht, doch es wird differenziert. So beherbergt ein sogenanntes Stand-Alone-Ärztehaus
• autarke Arztpraxen, die sich in ihrem Angebot optimalerweise gut ergänzen;
• Apotheken, Sanitätshäuser und/oder
• komplementäre Dienstleister (zum Beispiel Physiotherapeuten, Fitness-Center, Logopäden, Optiker und andere), die auf die Praxen im Haus zugeschnitten sind.

Das Dilemma Medizinischer Versorgungszentren

In der Eigenständigkeit der Arztpraxen liegt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Stand-Alone-Ärztehäuser gegenüber den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die in weiter gefassten Definitionen ebenfalls zu den Ärztehäusern gerechnet werden.

Die MVZs wurden mit dem Modernisierungsgesetz für Gesetzliche Krankenkassen (GKV) im Jahr 2004 eingeführt und nehmen in ihrer Anzahl seitdem stetig zu. Sie sollen eine „patientenorientierte und integrierte Versorgung“ aus einer Hand ermöglichen. Doch in der Praxis klappt das nicht immer. Für viele Patienten ist es in diesen Großorganisationen, die ein wenig an die Polikliniken der DDR erinnern, oft schwierig, ein Vertrauensverhältnis zu ihren behandelnden Ärzten aufzubauen.

Das liegt sicherlich auch daran, dass in einem MVZ sowohl selbstständige Vertragsärzte wie auch angestellte Mediziner arbeiten, weshalb die Fluktuation oft hoch ist. Zudem ist die Identifikation von Ärzten und Helfern mit dem MVZ meist niedriger als in eigenständigen Praxen. Entsprechend geringer ist auch die Verantwortungsübernahme des Personals.

Vorteile aus Sicht der Patienten

Kurz gesagt, das Stand-Alone-Ärztehaus ist hier aus Patienten- und aus Ärztesicht den MVZs etwas überlegen. Gleichzeitig kann ein Stand-Alone-Ärztehaus ebenso gut wie ein MVZ Skalen- und Synergieeffekte realisieren. Kostenintensive Apparate und Geräte werden gemeinsam beschafft. Gleiches gilt für den Einkauf von Ge- und Verbrauchsmaterialien.

Verwaltungsarbeiten werden harmonisiert und kooperativ erledigt, Personalbedarfe optimiert, Marketing übergreifend betrieben. All diese Möglichkeiten verbessern die jeweiligen Kosten-Nutzen-Relationen und eröffnen dem einzelnen Arzt zeitliche und finanzielle Freiräume, die er kreativ nutzen kann.

Patienten profitieren ebenfalls. Ihr Kernprozess (Diagnose, Behandlung/Therapie, Nachsorge) wird individuell zugeschnitten und modelliert, wobei in der Regel alle Prozessphasen unter einem Dach ablaufen. So liegen zwischen den einzelnen Praxen und den im Hause befindlichen Dienstleistern oft nur ein paar Treppen oder eine kurze Fahrstuhlfahrt. Überhaupt verfügen die Ärztehäuser meist über eine recht zentrale Lage und sind mit ÖPNV und Auto gut zu erreichen.

Lange Öffnungszeiten erleichtern auch Berufstätigen den Praxisbesuch; bei der Terminvergabe darf Flexibilität erwartet werden. Die technische State-of-the-Art-Ausstattung im Ärztehaus bietet schließlich die Sicherheit, bestmöglich diagnostiziert und therapiert zu werden.

Stabile Trends und hohe Akzeptanz der Beteiligten

Aus Anlegersicht spricht vieles für das Immobilien-Segment „Ärztehaus“. Die Metatrends
• Urbanisierung,
• Alterung der Bevölkerung und mittlerweile auch
• Konzentration im Gesundheitswesen
sind stark, wirkmächtig, unumkehrbar und zahlen auf die Nutzungsart „Ärztehaus“ ein. Das Thema Ärztehäuser in Unter- und Mittelzentren der ländlichen Regionen bringt den Ärztehäusern ganz automatisch neue Patienten und zeigt attraktive Wachstumsmöglichkeiten auf, wenn beispielsweise Landärzte ohne Nachfolgeregelung ihre Praxen schließen. Es stellt zum anderen aber auch die neue flächendeckende medizinische Versorgung im ländlichen Raum dar.

Vorteile für Ärzte

Die Metatrends sind das eine, die Zufriedenheit der unmittelbar Beteiligten, der Patienten und Ärzte, das andere. Auch hier spricht vieles für das Investitionsobjekt Ärztehaus: Die Bedürfnisse der Patienten, die trotz aller Unkenrufe noch immer, wenn auch manchmal mit Verzögerung, die Weichen im Gesundheitssystem stellen, werden von den Stand-Alone-Ärztehäusern besser bedient als von anderen Systemen. Kernunterschiede: Niedergelassene Einzelkämpfer sind oft überlastet und werden im Krankheitsfall nicht unmittelbar ersetzt. In den MVZs fällt es den Patienten schwer, eine vertrauensvolle und dauerhafte Beziehung zum stärker fluktuierenden Personal aufzubauen.

Die Ärzte präferieren in der Mehrheit ebenfalls die Stand-Alone-Lösung, da sie sich so stärker auf ihre ärztliche Rolle konzentrieren können. Gleichzeitig bieten ihnen die Ärztehäuser die Möglichkeit, Anfangsinvestitionen und laufende Betriebskosten durch Kooperation, Einkaufsverbund und Skaleneffekte niedrig zu halten, gleichwohl aber ein Unternehmer zu bleiben.

Zuverlässige Mieter

Für potenzielle Investoren ist noch ein weiterer wichtiger Pluspunkt der Ärztehäuser zu nennen, nämlich das besondere Mieterklientel. Sebastian Thürmer, Geschäftsführer des Placement Agents artis ICM in Frankfurt am Main, welcher aktuell das Second Closing eines deutschen Immobilien-Spezial-AIF mit Fokus auf Ärztehäuser und medizinische Versorgungszentren platziert, bei dem bislang Sparkassen die führenden Investoren sind, präzisiert: „Lange Mietvertragslaufzeiten, ein stabiler Cashflow und eine gute Bonität machen den Sektor besonders attraktiv.“ Anlagen dieser Nutzungsart seien „konjunkturunabhängig und krisensicher“ und ließen im Ergebnis hohe Ausschüttungen erwarten, aktuell höher als bei Büro- oder Handelsimmobilien.

„Außerdem sind die Ärztehäuser in Bezug auf Leerstand und Mietausfall statistisch weniger gefährdet“, so Thürmer weiter. Sollte es standortbedingt doch einmal zu einem temporären Leerstand kommen, so bieten die Grundrisse und die hochqualitativen Versorgungsinstallationen der Ärztehäuser viele Optionen der Drittverwertung.

Bald kein Geheimtipp mehr

Bei den institutionellen Anlegern sieht der artis-Geschäftsführer einen grundsätzlichen Nachholbedarf in Sachen Ärztehäuser: „Wenn institutionelle Anleger in der Vergangenheit in Gesundheitsimmobilien investiert haben, lag der Schwerpunkt meist bei Pflege- oder Altersheimen und nicht im Segment Ärztehäuser.“

Doch das ändert sich allmählich. Vorne dabei die Sparkassen, die im Bereich der Depot-A-Immobilienanlage seit geraumer Zeit stärker auf Ärztehäuser setzen. Und auch internationale Investoren spielen eine bedeutende Rolle. 2019 wurden nach Berechnungen von CBRE, dem weltweit größten Beratungsunternehmen für gewerbliche Immobilien, 2,1 Milliarden Euro am deutschen Transaktionsmarkt in Gesundheitsimmobilien investiert. Dabei zeichnen internationale Investoren für 62 Prozent, also etwa 1,3 Milliarden Euro des Investitionsvolumens verantwortlich.

1,2 der 2,1 Milliarden Euro entfielen auf Pflegeheime und Sanatorien. Lediglich 263 Millionen Euro auf Ärztehäuser. Allerdings gab es hier auch die größte Steigerung zum Vorjahr mit beachtlichen 55 Prozent. Es kommt also Bewegung rein.

– Bernd Engel, Freier Autor ‒

Hier geht’s zum Artikel